Die Frau sprach am Telefon von schweren Zeiten und von großer Sehnsucht. Sie sprach von einer großen Sehnsucht nach den Pferden, die sie schon seit ihrer Kindheit spürt, der sie aber nie richtig nachgegangen ist. Ihre Eltern hielten Pferde für gefährlich und so blieb es dabei. Bis gestern.
Wir liefen gemeinsam ein Stück die Wiese rauf. Es redet sich oft viel leichter in Bewegung. Nach einer Weile zuhören wird mir klar, wie viel Kraft es die Frau wohl gekostet haben muss, zu uns zu kommen – ihren sicheren Ort zu verlassen. Das sage ich auch und ich sage ihr auch, wie mutig ich das finde. Wir bleiben stehen und eins der Pferde gesellt sich zu uns. Nachdem Vito höflich gefragt hat, ob keine von uns ein Leckerli für ihn dabei hat, stellt er sich neben die Frau. Er macht scheinbar gar nichts, steht nur ruhig da, als würde er zuhören. Er tut genau das, was uns Menschen oft so schwer fällt. – Da sein. Ohne etwas zu tun oder tun zu wollen.
Ich kann das nicht so gut, wie er. Ich merke, wie mein Kopf immer wieder anspringt und nach Lösungen und guten Ideen sucht. Dabei ist mein Kopf im Moment gar nicht gefragt. Mein Herz und mein Gefühl sind gefragt. Aber Hilflosigkeit fühlt sich nicht gut an. Es fühlt sich nach Kontrollverlust an. Und das wollen wir doch immer alle am liebsten: Etwas machen! Damit wir alles wieder unter Kontrolle haben.
Die Frau entspannt sich in Vitos Nähe immer mehr. Ich mich auch. Während wir weiterreden, sinkt Vitos Kopf immer tiefer und seine Augen werden kleiner. Er schläft fast im Stehen. Danke, du Guter, für dein Dasein und deine Nähe. Danke, dass du uns einen sicheren Ort gezaubert hast.