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Reittherapie und Pferdegestützte Pädagogik – Warum macht das Sinn?

Reittherapie Pferdegestütztes Coaching im Wald

Warum eigentlich Reittherapie oder Pferdegestützte Pädagogik? – Jeder, der regelmäßig in der Natur ist und Kontakt zu Tieren hat, weiß wie heilsam das ist. Ich habe mich auf die Kombination von beidem spezialisiert. Menschen jeden Alters und mit den verschiedensten Zielen und Krankheitsbildern kommen zu mir. Entspannung ist dabei nur ein mögliches Ziel. Ein besseres Körperbewusstsein, eine bessere Körperhaltung, Wahrnehmung der eigenen Gefühle, eigene Grenzen spüren und setzen, Ruhe und Geduld üben oder auch mehr Selbstsicherheit entwickeln, sind weitere Wünsche meiner Klienten. Meine Irish Tinker Stute Jenny ist dafür die perfekte Partnerin.

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Unser Kurzfilm „Pferde bringen Dich zu Dir“

Im Frühjahr 2021 setzte ich mit einer Freundin ein Filmprojekt über den Wert von pferdegestützter Therapie um. Die Idee dazu hatte ich schon lange vorher im Kopf. Noch immer schaue ich sehr dankbar auf diese sehr spannende und kreative Zeit zurück. Mein Wunsch, dass die Klientinnen ihre Geschichten selbst erzählen, ging in Erfüllung. Dafür nahmen sie all ihren Mut zusammen…

Es gab nie ein Drehbuch oder ein starres Konzept. Der Film entstand einfach im miteinander tun. Schreibt mir gerne Euer Feedback per Mail an: info@ameling-bewegt.de

Hier geht’s zum Film:

https://www.youtube.com/watch?v=HPPZTILwq9M

 

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Lächelnde Gesichter hinter Plexiglas

Gestern war ein sehr besonderer Tag für mich. Nach einem Dreivierteljahr durfte ich das erste Mal wieder in einer Senioreneinrichtung singen. Es war eine kleine Demenz-WG. Das freute mich besonders.

Als die Leiterin der Einrichtung anrief um zu buchen, fragte ich, ob es bei ihnen denn schon wieder erlaubt sei zu singen. In den meisten Senioreneinrichtungen in Deutschland bedeuteten und bedeuten die Coronaschutzmaßnahmen ein Verbot zu singen. Das ist ein Thema, was mich schon lange beschäftigt und echt traurig macht.

Viele Leute, die mit Menschen mit Demenz zu tun haben, wissen wie wichtig Musik und singen als Brücke zu den Menschen ist.

Vor allem bei fortgeschrittnerer Demenz ist Musik und singen oft eine der ganz, ganz wenigen Brücken, die noch funktioniert. Menschen haben sich schon oft mit singen selbst gerettet. Meine Oma erzählte ganz oft: „Wir haben früher immer und überall gesungen. Bei der Arbeit, auf dem langen Fußweg zu Schule, wenn’s eine Feier gab…“ Die Soldaten im zweiten Weltkrieg sangen im Einsatz. Nicht nur, wenn’s um‘s feiern ging, sondern auch, wenn’s Leid und Schmerz gab, wurde gesungen. Ich glaube, das hat den Menschen sehr geholfen.

Die Leiterin der Einrichtung erzählte mir, dass sie schon ganz zu Anfang der Coronazeit eine große, rollbare Plexiglasscheibe gekauft hatten. Dahinter durfte ich nun gestern singen. Natürlich nicht ohne den vorherigen Corona-Test im Eingangsbereich. Ich merkte, wie mir der sonst etwas unangenehme Nasen-Rachentest nichts mehr ausmachte. Selbst mein Auge tränte dieses Mal nicht. Ich sagte das der Mitarbeiterin und lobte sie für ihr Können. Sie meinte, das hätte sie schon öfter gehört und strahlte dabei. 

Und dann war es endlich so weit. Eine kleine Gruppe von 14 Leuten saß vor mir. Einige schauten mich erwartungsvoll an, andere schienen komplett in ihrer eigenen Welt versunken. Nach dem ersten Lied „Einmal am Rhein“ wurden sie etwas munterer. Eine Frau fragte:

„Sind Sie ne Rheinländische?“ Ich lachte: „Nein, ich bin Westfälin.“

„Ich komme aus Oelde/Ennigerloh. – In Innigerlau da liegt der Deubel up Strau!“ Sie lachten. Es war so schön! Wir sangen gemeinsam die alten Schlager und ich durfte wieder beobachten, wie sie immer wacher und munterer wurden. Die Augen gingen auf und sie waren plötzlich wieder hier bei uns und nicht weit weg in ihrer eigenen Welt. Es gab Verbindung und Freude und auch ein kleiner Streit, weil eine Bewohnerin sich beim schunkeln und klatschen so weit vor lehnte, dass ihre Nachbarin nichts mehr sehen konnte. 

Im Winter wollte ich alles hinschmeißen. Ich sah keine Perspektive mehr für mich im Senioren- und Demenzbereich. Ich überlegte, gar nicht mehr mit Menschen zu arbeiten und zur Tischlerin umzuschulen. Wer weiß? Vielleicht mache ich das eines Tages auch. Aber heute noch nicht. Heute genieße ich den Nachklang der schönen Stunden gestern. 

Und irgendwann wieder hoffentlich so wie auf dem Foto… 💚

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Ein sicherer Ort

Die Frau sprach am Telefon von schweren Zeiten und von großer Sehnsucht. Sie sprach von einer großen Sehnsucht nach den Pferden, die sie schon seit ihrer Kindheit spürt, der sie aber nie richtig nachgegangen ist. Ihre Eltern hielten Pferde für gefährlich und so blieb es dabei. Bis gestern. 

Wir liefen gemeinsam ein Stück die Wiese rauf. Es redet sich oft viel leichter in Bewegung. Nach einer Weile zuhören wird mir klar, wie viel Kraft es die Frau wohl gekostet haben muss, zu uns zu kommen – ihren sicheren Ort zu verlassen. Das sage ich auch und ich sage ihr auch, wie mutig ich das finde. Wir bleiben stehen und eins der Pferde gesellt sich zu uns. Nachdem Vito höflich gefragt hat, ob keine von uns ein Leckerli für ihn dabei hat, stellt er sich neben die Frau. Er macht scheinbar gar nichts, steht nur ruhig da, als würde er zuhören. Er tut genau das, was uns Menschen oft so schwer fällt. – Da sein. Ohne etwas zu tun oder tun zu wollen.

Ich kann das nicht so gut, wie er. Ich merke, wie mein Kopf immer wieder anspringt und nach Lösungen und guten Ideen sucht. Dabei ist mein Kopf im Moment gar nicht gefragt. Mein Herz und mein Gefühl sind gefragt. Aber Hilflosigkeit fühlt sich nicht gut an. Es fühlt sich nach Kontrollverlust an. Und das wollen wir doch immer alle am liebsten: Etwas machen! Damit wir alles wieder unter Kontrolle haben.

Die Frau entspannt sich in Vitos Nähe immer mehr. Ich mich auch. Während wir weiterreden, sinkt Vitos Kopf immer tiefer und seine Augen werden kleiner. Er schläft fast im Stehen. Danke, du Guter, für dein Dasein und deine Nähe. Danke, dass du uns einen sicheren Ort gezaubert hast.

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Workshop „Nimm Deine Zügel in die Hand!“

Das erste Pilottraining war ein voller Erfolg!
Zusammen mit meiner Kollegin Mareike Venherm https://www.mareikevenherm.de/ und den beiden tierischen Co-Trainer*innen Jenny und Pino, wird es ab 2021 ein neues Angebot geben.

Nimm Deine Zügel in die Hand!

Durchsetzungsstärke, Führungskompetenz oder Teamentwicklung – mit der zustätzlichen Erfahrung durch pferdegestütze Arbeit werden Lernerfahrungen noch nachhaltiger, sowohl im Gruppenkontext als auch im Einzelcoaching.

Freuen Sie sich auf neue Angebote! Gerne planen wir auch Ihre individuellen Umsetzungen.

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Frau Müller oder: Die Queen von Münster

„Hallo, mein Name ist Müller. Ich möchte bei Ihnen Reittherapie buchen.“ – Es ist erst wenige Wochen her, dass ich diesen Anruf bekam. Ich weiß noch, dass ich sofort an der Stimme der Frau erkannte, dass sie älter sein musste. Frau Müller wusste genau, was sie wollte. Sie hatte vor 2 Jahren einen schweren Fahrradunfall gehabt und wollte unbedingt wieder Fahrrad fahren. Um ihre Balance zu schulen, als Vorbereitung für das Radfahren, wollte sie reiten. Ich war ein bisschen überrumpelt von ihrer resoluten und klaren Art und fragte: „Sind Sie schonmal geritten?“ „Ja, einmal mit 10 und einmal mit 80 Jahren.“ Ich lachte und dachte: ‚Diese Frau musst du kennenlernen.‘ 

Frau Müller ist eine kleine, zarte Frau, die schon viel erlebt hat in ihrem langen Leben.

Jahrelang pflegte sie ihren Mann, der an Demenz erkrankt war. Nach dem Tod ihres Mannes wollte sie dann noch selbst etwas erleben und etwas für sich tun. Sehr offen erzählte sie mir von ihrer Psyche und dass sie gut auf sich achten müsste. Und davon, dass sie die Alexander-Technik für sich entdeckt hat und dass ihr Trainer ihr großes Vorbild geworden sei. 

In der ersten Reittherapieeinheit putzten wir gemeinsam Jenny. Die erste Aufgabe, die alle immer als Erstes bei mir bekommen, ist die Lieblingskraulstellen von Jenny zu finden. Frau Müller gefiel es bei uns und gleichzeitig bemerkte ich ihre Ungeduld. Sie wollte reiten. Doch vor der nächsten Einheit merkte ich, dass ich Angst hatte.

‚Was, wenn mir Frau Müller vom Pferd fiel? Ältere Menschen brechen sich ja sehr schnell etwas.’ Ich überlegte und wägte ab.

Und dann machte ich etwas, was mir selbst noch manchmal komisch vorkommt: Ich redete gedanklich mit Jenny. Ich erzählte ihr von meinen Ängsten und bat sie um Hilfe. Irgendetwas veränderte sich. Ich wurde auf einmal wieder sicherer, in dem was ich tat. – Ich vertraute mir und ich vertraute Jenny. Und alles ging wunderbar. Seitdem trägt Jenny Frau Müller jede Woche ein paar Runden. Dabei setzt sie ihre Hufe sehr vorsichtig und langsam und ich bin mir ganz sicher, dass sie auf ihre Reiterin aufpasst. Weil sie immer tut.

Und Frau Müller?

Die kleine, zarte Frau Müller verwandelt sich mit Jennys Hilfe Woche für Woche in die Queen von Münster.

Zuerst machen sich die Beiden gemeinsam warm. Frau Müller führt Jenny mittlerweile allein. Ihr „kam-sah-und-siegte-Gang“ wird immer selbstverständlicher. Zwischendurch blitzt sogar ein kleines, stolzes Lächeln bei ihr auf. Wenn sie dann auf Jenny reitet, ist sie total stolz. Ich frage: „Frau Müller, was sagen eigentlich Ihre Kinder dazu, dass Sie reiten?“ „Die sind total begeistert, was ich noch für tolle Sachen mache.“ Ja, kein Wunder! Ich bin auch total begeistert. Und sehr dankbar, für so mutige und inspirierende Menschen in meinem Leben!

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Lieber Werner,

heute hat mir Facebook mal wieder eine sehr schöne Erinnerung von uns gezeigt 😍❤️. Gestern habe ich mit der Leitung deiner kleinen Senioreneinrichtung telefoniert. Es geht dir gut. Mehr noch, du warst nicht nur mein Sonnenschein, du munterst mit deinem sonnigen und mitfühlenden Gemüt auch immer wieder deine Mitbewohner auf. Auch ohne Kurzzeitgedächtnis kann man noch wunderbar trösten, lachen und zum Lachen bringen und auch zusammen traurig sein. 

Werner und ich auf dem Steg

Letztes Jahr um diese Zeit habe ich dich überredet, auf dem Steg mit mir die Beine im Wasser baumeln zu lassen. Nach deiner anfänglichen Skepsis, warst du total glücklich dabei. Wir waren zusammen eine kleine Weile glücklich. 

Gestern war zum zweiten Mal ein 8-jähriges Mädchen bei mir in der Reittherapie. Die hat der Himmel geschickt. Sie hat auch so ein sonniges Gemüt, wie du und lacht, kichert und erzählt die ganze Zeit. Und sie ist genauso verliebt in Jenny 🐴 , wie du es warst. 

Ich vermisse dich. Ich vermisse die Zeiten mit „meinen“ Senioren. Fuck Corona! Kannst du nicht einfach so schnell wieder gehen, wie du gekommen bist? Ich hasse es untätig Zuhause zu sitzen und darauf zu warten, dass man mich wieder in die Senioreneinrichtungen lässt. Denn ich mag meine Arbeit sehr und es ist eine Strafe für mich so lange nicht arbeiten zu dürfen. Fuck Corona. Verpiss dich einfach wieder. 

Werner und ich auf Steg

Ich wünsche mir wieder mit den Senioren singen zu dürfen, mit ihnen zu schunkeln oder sie auch mal in den Arm zu nehmen, wenn Tränen kommen. Und bis das wieder geht – singe ich lauthals „Bibi & Tina“ mit meinen Reitmädels im Wald 🎶 🌳 

Ich hoffe, es geht Dir gut. 

Alles Liebe Tamara 

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Pest oder Cholera?

Meine ganz persönlichen Gedanken in dieser Zeit.

Gestern hat die Bundeskanzlerin davon gesprochen, dass wir noch ganz am Anfang der Pandemie stehen. Ganz am Anfang? Was bedeutet das denn genau? Ich glaube, dass es sich für viele Menschen eher so anfühlt, als seien sie längst mittendrin in diesem Wirbelsturm namens Corona. Dann appellierte sie noch an die Strenge, Disziplin und Geduld der Menschen.

Kein Problem für mich. Wir leben in einem Haus mit Garten, haben unsere Tiere, die uns jeden Tag auf andere Gedanken bringen und so lässt sich das mit der Strenge, Disziplin und Geduld ganz gut machen. Ich glaube nur, dass die Probleme vieler Menschen in dieser Zeit sich nicht allein mit Geduld beheben lassen. 

Angela Merkel am 23.04.20: „So können wir heute feststellen, unser Gesundheitssystem hält der Bewährungsprobe im Moment stand.“ 

Das freut mich. Ich habe ja noch die Bilder aus Italien sehr präsent im Kopf. Aber wie geht’s eigentlich dem „größten Pflegedienst unserer Nation“? Wie geht’s den vielen, vielen pflegenden Angehörigen Zuhause? Mehr als zwei Drittel der 2,63 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause versorgt (Stand 2015. Heute dürften es noch mehr sein.). Viele dieser Menschen werden, zur Entlastung der pflegenden Angehörigen, in Tagespflegen versorgt. Tagespflegen gibt es inzwischen in jedem Kuhdorf – so viel Bedarf gibt es. Jetzt sind diese Tagespflegen inzwischen seit 6 Wochen geschlossen. Es gibt einige wenige vollstationäre Notplätze, wenn „alle Stricke reißen“. Aber eine Möglichkeit für eine Tagesbetreuung gibt es nicht. Hinzu kommt, dass die älteren Menschen Zuhause oft so verängstigt sind, dass sie auch die ambulanten Betreuungsangebote nicht mehr buchen. Corona isoliert diese Menschen noch mehr, als es Pflegebedürftigkeit und Demenz eh schon tun. 

Aber wie erreichen wir diese Menschen? Vor einigen Tagen hatte ich ein Webmeeting mit einer großen Organisation, die sonst Angehörigen- und Betreuungsgruppen für Betroffene und pflegende Angehörige anbietet. Immerhin das erste Webmeeting nach „nur“ 6 Wochen, in dem wir darüber geredet haben, wie man den Familien helfen könnte. Ich merke, wie mich das wütend macht. Die Mühlen mahlen ja oft langsam, aber dass in 6 Wochen, außer Telefonaten mit den Angehörigen, nicht mehr passiert ist, macht mich verständnislos. Klar, Webmeetings für Ü-80 Menschen sind nicht so einfach zu organisieren. Aber im Moment brauchen wir einfach neue Ideen, die schnell und unkompliziert umgesetzt werden. Wenn wir die jüngeren Angehörigen oder Bekannten der Senioren mit ins Boot holen, so dass sich die Senioren dann nur noch vor den Laptop setzen müssten, wäre es bestimmte eine gute Möglichkeit zumindest einigen zu helfen. Z.Z. plane ich ein Webmeeting mit einem Musik- und Singangebot für Angehörige und die Betroffene. Vielleicht kann nicht so viel tun. –

Aber nichts machen und auf „nach Corona“ warten, ist für mich keine Option. 

Überforderung und Ängste können auch zu verbaler und körperlicher Gewalt führen. Ein Tabuthema, aber ja, es gibt häusliche Gewalt in der Pflege. Und dagegen hilft, aus meine Sicht, auch nicht, an die Disziplin und Geduld der Menschen zu appellieren. Dagegen helfen nur konkrete Hilfsangebote. – Je mehr und je individueller desto besser. 

-> Wenn Ihr Ideen für Hilfsangebote habt, schreibt mir gerne eine Email an: info@ameling-bewegt.de 

Ich sammle die Ideen dann, veröffentliche sie und sende sie weiter an mein Netzwerk, damit wir gemeinsam möglichst viele Menschen erreichen.

Alles Gute & bleibt gesund! 

Tamara Ameling

Foto by: JFX Pictures Jens Feierabend